NeuLand Köln

Gemeinschaftsgarten im Kölner Süden

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Pizza, Beach-Life und ein leichter Hauch von dicker Luft

Stand jetzt ist der Ofen aus. Stand Sommerfest – Sonntag, 14. Juli – ist unser neuer Pizza-Ofen dreimal heißer als jeder Hot-Spot zwischen Bayenthal und allem, was sonst noch so backt. Und macht Euch auf Einiges gefasst. Denn: kleine Brötchen backen ist des NeuLand-Gärtners Sache nicht. Ein Sechspfünder aus echtem Dinkelschrot und –korn sollte schon drin sein. Bis es soweit ist, warten wir mit Lara, Hanna und Andi, die den Ofen gebaut haben, bis dass die Röhre trocknet. Beim Zuschneiden der Steine gab es jedenfalls ziemlich häufig dicke Luft (Foto). Aber dem Winter sehen wir mit bisher nicht gekannter Gelassenheit und einem alten Sprichwort entgegen: „Wessen Ofen geheizt ist, der glaubt, es sei überall Sommer.“ Den erleben derzeit vor allem Jung, aber auch Alt, in unserem Bläck-Fööss-Bereich. Auf Rollrasen im Schatten des Weiden-Doms lässt man den lieben Gott einen guten Mann sein, spielt eine extreme Runde Uno oder versumpft beim Kanalbau auf der „Weiden-Domplatte“ aus Spielplatzsand. Das Dom-Spielplatz-Foto mit Strand-Gefühl war ein echter Renner und ging auf facebook vieltausendfach um die Welt. Zu Recht.

Posieren für „a tempo“

Echte Hingucker waren aber auch alle NeuLänder beim Posieren für den dm-Fotografen. Im September kommt nämlich nur einer von uns auf den Titel der „a tempo“. Vielleicht der Ofenbauer, der wie der „Terminator“ mit der Flex posierte? Oder der Gärtner mit der peinlichen Kopfbedeckung, der in einem Langbeet sein Haupt reckte, als stünde er auf einem Feldherrenhügel irgendwo zwischen Waterloo und dem Völkerschlacht-Denkmal? Am Ende gar der Imker, dessen Titelbildchancen die Maske vor dem Gesicht allerdings eher nicht verbesserte? Aufgemerkt und bitte im Kalender festgehalten: Das Heft mit Titelgärtner, sechs bis acht Seiten über NeuLand und einer Auflage von 1,1 Millionen gratis erhältlich im September in allen dm-Drogeriemärkten. In unseren Beeten geht es von Tag zu Tag deutlich sichtbarer voran. Das liegt natürlich an der guten Pflege von denen, die sich kümmern. Oder sind unsere Pflanzen doch sensibler als wir denken und geben sich angesichts der Aktivitäten von Lara, Hanna und Andi besondere Mühe. Denn wie sagt doch die schöne alte Bauernregel: „Was im Juni nicht wächst, gehört in den Ofen.“ Also, Ihr Gurken! Haut rein!

NeuLand oder Madrid: Hauptsache Dahlien

Neulich im NeuLand. Ein Pärchen Mitte 20 ist bereit für den nächsten Schritt. „Wir haben uns das länger überlegt. Wir sind hier, um den Vertrag zu unterschreiben.“ „Hä, was für einen Vertrag?“ „Um hier zu gärtnern.“ Liebe Freunde des urbanen Grüns: Wir sind doch kein Fußball-Verein! Bei uns hat die Mittelfeldsalat-Strategin keine Ausstiegsklausel. Und für unseren Braunfäule-Abwehrrecken wurde keine Ablösesumme festgeschrieben. Da könnte ein großer Gartenverein kommen und unseren Verteidiger der Tomatenpflänzchen mit der Aussicht locken, in der nächsten Saison um einen internationalen Titel zu gärtnern. Damit haben wir keine Verträge. Unsere Devise bleibt: Paragraphenfrei die Gärtnerei! Alles, alles, alles gehört allen, allen und nochmal allen.

Winde wehen, Schiffe gehen, aber unser Zelt bleibt stehen

Ansonsten war in der vergangenen Woche wie immer eine Menge los in unserem Gemeinschaftsgarten. Das Wichtigste zuerst: Winde wehen, Schiffe gehen, aber unser Zelt bleibt stehen. Der aus gegebenem Anlass spontan gegründete Arbeitskreis „Statik, Zelt und Windprognose“ stabilisierte das mit Abstand höchste Gebäude auf NeuLand vorerst dauerhaft. Unser Gewächshaus entließ zahlreiche Jungpflanzen in die Beetkisten-Freiheit, der Rollrasen wächst wie Hulle, eine neue Beetlinie wurde vollendet, und der Weiden-Dom wird schneller als gedacht zur grünen Hölle. Beim Südstadt-Straßenfest haben wir zusammen mit den freundlichen Gartensympathisanten von „meine-suedstadt.de“ einen Stand auf der Kurfürstenstraße gerockt. Während die Waffeln der Online-Berichterstatter weggingen wie geschnitten Brot, brachten wir jede Menge junges Gemüse unter die Leute. Im Vorzucht-Modus. Schönes Fest, viele Besucher, gerne wieder. Und sowieso halten wir es weiterhin wie Andy Möller, leidenschaftlicher Naturfreund mit einem ausgeprägten Schwalben-Faible, gefangen im Körper eines überdurchschnittlich begabten Ballathleten. Als dessen Vertrag bei Borussia Dortmund auslief und Wechselgerüchte die Runde machten, stülpte er spontan sein Inneres nach Außen und ließ so oder so ähnlich das Gärtnerherz sprechen: „NeuLand oder Madrid. Hauptsache Dahlien.“

Das Wetter lässt uns völlig kalt

„Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war“, sagte Mark Twain. Man mag ihm das nachsehen, denn er kannte ja die NeuLänder nicht. Das aktuelle Wetter lässt uns völlig kalt. Im NeuLand wird immer in die Hände gespuckt, wir pfeifen aufs Bruttosozialprodukt. Bei uns hat Wachstum Hochkonjunktur. Wir machen einfach immer weiter. Auch wenn sich der Sommer anscheinend in eine tiefe Rezession verabschiedet. Wir warten gelassen optimistisch ab, was uns in in nächster Zeit sonst noch so blüht. Denn bei uns entstehen vor unserer Haustür blühende Landschaften. Übrigens auch mit Blumenkohl.

Wisse, was Du isst!

Immer mehr Menschen, nicht nur in Köln und Deutschland, machen sich Gedanken darüber, wie sie mit ihrem persönlichen Konsumverhalten gute, qualitätvolle, fair und ökologisch hergestellte Lebensmittel fördern und auf den Teller bekommen können. Essen, das nicht tausende Kilometer zu uns reisen muss, Essen, dessen Erzeuger wir im besten Fall kennen und der es uns direkt verkauft, Essen, das schmeckt und für das weder Pflanze noch Tier noch Hersteller gequält werden muss. In der Werkstatt von Stadtwaldholz haben wir gestern wieder Einiges dazu gelernt, wie wir organisieren können, dass das kein Traum bleibt.

Besuch aus Paris

Die beiden Pariser Startup-Unternehmer Marc-David Choukroun und Étienne de Montlaur von der französischen Internet-Plattform „La Ruche qui dit oui“ zeigten und erklärten sehr lebendig, wie sich Einkaufsgemeinschaften zusammenschließen können, die über einen „Community-Leader“ den Kontakt zu regionalen Bauern/Lebensmittelhersteller knüpfen und Sammelbestellungen aufgeben. So kann, möglichst CO2-neutral, das Essen direkt vom lokalen Erzeuger in die Stadt kommen. Im Herbst soll die Plattform auch in Deutschland starten – und die NeuLänder wollen zu den ersten Einkaufscommunities gehören, die sich dort mit regionalen Bauern zusammentun!

Direktvermarktung hat Zukunft

Ähnlich und doch anders organisiert die von Slowfood getragene „Genussgemeinschaft Städter und Bauern“, die eine der Initiatorinnen, die Köchin und Finanzallrounderin Petra Wähning aus München. Hier investieren – meist städtische – Verbraucher Geld in bäuerliche Kleinbetriebe der Region, damit der Landwirt wiederum in seine handwerkliche Produktion investieren und die hergestellten Lebensmittel direkt vermarkten kann. Per Einkaufsgemeinschaft kommen sie ohne Umwege zum Verbraucher – investiertes Geld arbeitet sinnvoll, Zinsen erhalten die Kleininvestoren in Form von „Genussrechten“ an gutem Essen. Und schließlich erzählt der Kölner Amateur-Mitlandwirt Lars Lange noch vom Selbermachen in solidarischer Landwirtschaft: Städter mieten Äcker und beackern diese gemeinsam oder mit einem gemeinschaftlich bezahlten Gärtner. Die Zukunft ist nicht nur denkbar. Sie ist machbar. Und mit einem Zuwachs an Direktvermarktung können viele bäuerliche Kleinbetriebe erhalten werden, die sonst am Druck zu (quantitativen) Wachstum und Einseitigkeit und den Zwängen der EU-Bürokratie scheitern müssten.

Flüchtlinge und wir – im Garten geht alles!

Da kamen sie – zwei Gruppen von Flüchtlingen mit Sack und Pack voller Grillgut und unsicher, was sie erwarten würde. Wie spreche ich am besten mit jemandem, den Krieg, Verfolgung odereinfach lebensbedrohliche Armut nach Deutschland verschlagen hat? Die Antwort ist ganz einfach und jeder kann es: Lächeln und zuerst mit den Kindern reden, außerdem mit langsamem Deutsch und Händen und Füßen!  Die Pänz sprechen meist viel besser Deutsch als ihre Eltern, die zwischen
der Organisation ihres Lebens in engen Wohnheimen, der deutschen Bürokratie und der Sorge um ihre ungewisse Zukunft mit dem Deutschlernen etwas langsamer vorankommen.  Fazit unseres Sommerblutfestivaltags mit Flüchtlingen aus zwei Kölner Wohnheimen: Gärtnern und Grillen klappen gut, sich grenzüberschreitend amüsierende Kinder zeigen, wie es geht und alles war gekrönt von Sonnenschein und viel Arbeit! Wir hoffen, dass die Vertriebenen wiederkommen und freuen uns, einige von ihnen kennengelernt zu haben.

Niros aus Syrien

Niros, 26 Jahre alt, aus Syrien, seit zweieinhalb Jahren hier. Sie und ihr Mann Bengin haben vier Kinder, das älteste, Mohamad, ist zehn Jahre alt und körperlich behindert, im Bürgerkriegssyrien hätte der Junge nie so versorgt werden können wie hier: er läuft, bis vor zwei Jahren undenkbar. Der Rest ihrer Familie: vor dem Krieg in die Türkei geflohen.
„ich wünsche mir, hier bleiben zu können, denn hier können meine Kinder zur Schule und ich sehe eine Zukunft.“

Sultana aus dem Irak

Sultana, 26 Jahre alt, aus dem Irak, seit 2 Jahren hier. Sie hat drei Kinder und kam mit zwei von ihnen zu Fuß über die türkische Grenze, dann mit dem Auto nach Deutschland – wegen ihres Glaubens wurde ihr Mann im Irak bedroht, auch sie wünscht sich, hier bleiben zu können. Sie hat schon den begehrten blauen Pass, der ihr eine eigene Wohnung ermöglicht
und die Aussicht, arbeiten zu dürfen.  Bei uns darf jetzt schon jeder mitarbeiten und mitgenießen!

Ein Leben lang keine Kohle auf der Bank

Wollte man den Vortrag von Professor Jürgen Friedrich in einem Satz zusammenfassen, läge man mit der Jahrhunderte alten sauerländischen Analyse der Vermögenkonzentration in kapitalistisch organisierten Gesellschaften genau richtig: „Wer nix hat und auch nix erbt, bleibt eine arme Sau, bis dass er sterbt.“ Der emeritierte Stadtsoziologe und Gentrifizierungsforscher von der Universität zu Köln war gekommen, um über die soziale Spaltung in deutschen Großstädten am Beispiel Kölns zu referieren. Man hatte es geahnt, aber angesichts der Zahlen, die Friedrich und sein Team akribisch zusammengetragen haben, war man doch verblüfft: In Köln gibt es eine große Diskrepanz zwischen den Milieus. Wer in Marienburg, aber auch in Lindenthal oder Sülz aufwachse, habe deutlich bessere Chancen auf Bildung und Arbeit. Den Makel, aus Vingst zu stammen, schüttele man nicht einfach ab. „Man muss Arbeitsplätze schaffen“, lautete das Credo des Professors. Nur so sei die soziale Spaltung zu überwinden. Im Moment seien die Fliehkräfte allerdings so stark wie nie: „Die obersten 20 Prozent in Deutschland sind unter sich, und die untersten 20 Prozent auch.“

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